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GrazGedankenGries

Über Graz zu schreiben ist unerträglich. Zuviel ist geschrieben worden (in unangemessener Anlehnung an das Buch „Das Trauma, ein Leben“ von Armin Thurnher, Herausgeber der Wiener Stadtzeitung „Falter“). Schuld daran ist Hödlmoser. Graz liegt in der Steiermark. Ist Graz die Steiermark? Graz ist anders. Graz darf alles. In Graz lebt der Grazer. Die Frau ist eine Kategorie. Immer öfter wird sie mitgedacht. Die bislang einzige Landeshauptfrau bezeichnete sich als „Landeshaupt-Mann“. Manche Grazer und Grazerinnen sind auf der Flucht vor Hödlmoser. Aufklärung ist unmöglich. In jedem von uns steckt ein Hödlmoser. „Heimat ist, wo das Herz weht tut“, sagt Reinhard P. Gruber. Manche Frau und mancher Mann erproben ihre Herzschmerzen im Bezirk Gries. Das Wort „Gries“ bedeutet übrigens „feiner Schotter“. Dort gibt es Alteingesessene und Neu-Platznehmende. Der Bezirk Gries liegt auf der rechten Murseite. Die Mur ist der steirische Grenzfluss. Der „Große Graben“ trennt die Stadt – von der Fließrichtung des Flusses aus betrachtet – in links und rechts. Rechts heißt aus historischer Sicht Arbeiterbezirke, Armut, Widerstand und links bedeutet Bürgertum, Bildung, etablierte Elite. Rechts heißt Autos, MigrantInnen-Ghetto, Kriminalität. Links „Shopping“, Fußgängerzonen, Villenviertel. Graz ist gespalten. Die Murinsel ist tot. Das Kunsthaus als Hoffnungsträger. Oh – süße Luise. Eine Annäherung von links nach rechts. Verbinden statt trennen.

Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen. Exotismen und Multikulti. Grazer Gries. Rotlichtmilieu, Döner-Kebab und türkische Geschäfte. Graz hat’s. Günstige Räumlichkeiten für DesignerInnen und Studierende. Echt fesch. Bald wird es wieder einen Geldautomaten am Griesplatz geben. Versprochen! Die Nachkommenden von Großbürgerinnen und Großbürgern machen diese Stadtteile, genannt „Annenviertel“ hipp – Vergleiche mit Berlin Kreuzberg drängen sich geradezu auf. Darüber freuen sich auch die smarten Immobilienmakler. Dieser urbane Raum wird zudem durch die pastorale Herausforderung für den „Kunstpfarrer“ Hermann Glettler mit seiner Afrika-Community auch für den Tourismus immer attraktiver. Die katholische Pfarrkirche St. Andrä macht durch zeitgenössische Kunst und ekstatisch entrückte Musik von sich reden. Das an die Kirche baulich angebundene revitalisierte Dominikanerkloster bietet außerdem BürgerInnen eine neue Besiedelungsmöglichkeit. Brückenschlag zwischen links und rechts.

Die Griesgasse ist links- und rechtssprachig. Die Linkssprachigen haben ihr 2003 den Namen „Kulturhauptstraße“ gegeben. Die Anzahl der Beschwerden über Hundehaufen am Gehsteig hat sich vorübergehend vermindert. Die Linksferne ist rechts von deutlicher Präsenz. Die Bedeutung des Begriffes „Blaues Wunders“ auf der St. Andrä-Kirchen-Fassade (Gestaltung des Künstlers Gustav Troger) erschließt sich uns seit der letzten Nationalratswahl neu .Die Mur teilte die Stadt von jeher in zwei politische Lager, bislang in ein schwarzes (ÖVP) und rotes (SPÖ). Links ist nun grün (Grüne) und rechts blau (FPÖ). Es besteht hier offensichtlich ein Interesse daran, deutschnationales Gedankengut lebendig zu erhalten. Davon zeugt so mancher Straßenname – eine Historikerkommission überprüfte die Straßenamen auf beiden Seiten. Noch immer ist eine Gasse in der einstigen Murvorstadt nach dem deutschnationalen Dichter Ottokar Kernstock benannt. Das Ende des Verstummens naht nach einem halben Jahrhundert. Denn es ertönt täglich aufs Neue ein helles Glockenläuten aus dem Kirchturm St. Andrä – zum Gedenken an zwei mutige, widerständige Frauen, Edith Stein und Maria Restituta. Beide wurden 1942 von den Nazis getötet.

Ein bislang unbekanntes Komitee kam auf der Suche nach einer Persönlichkeit, die sich als würdig für Straßennamen erweist, auf den verstorbenen Nirvana-Sänger Kurt Cobain. Er gab 1989 – noch unbekannt – in diesem Viertel ein von der Öffentlichkeit kaum beachtetes Konzert. Das Komitee benannte die Gasse im Rahmen einer Kunstaktion nach dem Nirvana-Sänger um. Das Schild wurde inzwischen wieder abmontiert. Bleiben oder gehen? Beim Nachdenken auf - und abgehen, müßig gehen. Um bleiben zu können, ist es wichtig, sich immer wieder herzlich frei- und wegzudenken. Das Zu-sich-Kommen, In-den-Körper-Kommen, ist für den denkenden Menschen wichtig, um „das Herz“ überhaupt wahrnehmen zu können. Dabei zeigt sich einmal mehr: Die Zukunft ist offen und gestaltbar. Denn nix ist fix und es kann immer was dazwischen kommen. Ziviles und politisches Engagement ist notwendig, damit die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht gefährlich ins Totalitäre tendieren. Der herkömmliche Heimatbegriff, der primär die Fixierung auf das Soziale und Regionale meint und keine Offenheit für die geistige Freiheit zulässt, ist obsolet. Und das Herz tut rechts sowieso nicht weh.

Gerlinde Knaus, Verlegerin und Autorin, Studium der Pädagogik und Deutschen Philologie, Schwerpunkt Frauenforschung, lebt in Graz, auf der rechten Murseite.

(c) http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Griesplatz_35_L1270705a.jpg

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[Artikel/Gerlinde Knaus/23.01.2015]





    Artikel/Gerlinde Knaus


    23.01.2015 GrazGedankenGries

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